Vielfalt prägt unsere Gesellschaft und damit auch die Schule. Es ist normal, verschieden zu sein. Ein konstruktiver Umgang mit Vielfalt ist für die Beteiligung an einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft von grosser Bedeutung. Die Schule bietet - neben dem familiären und ausserschulischen Umfeld - zahlreiche Möglichkeiten, Gemeinsamkeit zu erfahren, Verschiedenheit wertzuschätzen sowie Chancengleichheit zu fördern und zu leben.

Die Schülerinnen und Schüler bringen reichhaltige Erfahrungen und Interessen sowie individuelle Potenziale mit. Sie haben unterschiedliche Ausgangsbedingungen für das Lernen, verschiedene Lernzugänge und Lernmöglichkeiten. Der Umgang mit Vielfalt stellt für die Lehrpersonen sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung dar.
Die Erwartungshaltung der Lehrpersonen hat einen wesentlichen Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler. Durch das Bild, das sich die Lehrpersonen von ihnen machen, verstärken sie das Verhalten, das sie von den Kindern und Jugendlichen erwarten. Positive Erwartungen der Lehrpersonen stärken das Selbstwertgefühl und die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler.
Vielfalt zeigt sich in unterschiedlichen Facetten wie beispielsweise Geschlecht, sexueller Orientierung, Sprache, Leistungsfähigkeit, Entwicklung, Religion, besonderem Bildungsbedarf, Herkunft oder in verschiedenen Lebensformen. Die Schule berücksichtigt die Diversität der Lebensentwürfe der Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung von Schule und Unterricht. Die Facetten der Vielfalt lassen sich nicht immer klar voneinander trennen.

Es gehört zur Aufgabe der Schule, die Gleichstellung von Schülerinnen und Schülern im Schulalltag zu fördern, damit diese ihre Persönlichkeit und ihr Potenzial möglichst frei von der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen aufgrund ihrer Geschlechterzugehörigkeit entfalten können. Als fächerübergreifendes Thema und als überfachliche Kompetenz (Umgang mit Vielfalt) fliesst die Gleichstellung in alle Fachbereiche ein.

(Lehrplan 21, Grundlagen, Überfachliche Kompetenzen; Lehrplan 21, Grundlagen, Bildung für Nachhaltige Entwicklung)

Die Förderung der Gleichstellung von Schülerinnen und Schülern ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht alleine von der Schule beeinflusst werden kann. Das familiäre und gesellschaftliche Umfeld, Kultur, Religion und die Medien (z.B. Werbung) haben schon in den ersten Lebensjahren einen prägenden Einfluss auf die Selbstwahrnehmung. Deshalb sollten Lehrpersonen bereits im 1. Zyklus Geschlechteridentitäten aufzeigen, die frei von Wertungen und Urteilen sind. Dabei gilt es, sich der Problematik von pauschalisierenden Vorstellungen bewusst zu sein, da geschlechtsspezifische Typisierungen als natürlich gelten und im Alltag kaum hinterfragt werden. Deshalb richten sich immer noch viele Kinder und Jugendliche an Geschlechterrollenerwartungen aus.
Die Stereotypisierung eines Fachbereichs als männliche oder weibliche Domäne wirkt sich für Kinder und Jugendliche negativ auf die Einstellung und Identifikation gegenüber dem Fach und folglich auf die Leistungen aus. Geschlechterunterschiede in den Leseleistungen können zu einem grossen Teil über die Förderung der Freude am Lesen ausgeglichen werden. Im Unterricht soll deshalb auch die Motivation in denjenigen Fachbereichen gefördert werden, die traditionell einem anderen Geschlecht zugeschrieben werden, z.B. das Interesse am Lesen oder das Interesse für die Technik. Durch didaktische Differenzierung und Methodenvielfalt sollen alle Kinder und Jugendlichen, ungeachtet ihres Geschlechts oder anderer Merkmale, gleichermassen im Unterricht gefördert werden, damit sie ihr Leistungspotential soweit möglich ausschöpfen können.
Ein weiterer zentraler Punkt in der Öffnung von stereotypen Rollenbildern ist die Berufswahl. Obwohl allen heute dieselben Ausbildungsgänge und Laufbahnen offenstehen, können Rollenbilder die Jugendlichen in ihrer Berufswahl einschränken.

(5. Unterrichtsentwicklung; 6.1 BO)

Durch die Pluralisierung der Gesellschaft ergeben sich für den einzelnen Menschen Gestaltungsfreiräume. Eine vielfältige Auswahl, z.B. in den Bereichen Zusammenleben und Wohnen, Beruf, Ausbildung und Freizeit, ermöglicht eine individuelle Lebensgestaltung. Bedingt durch die gesellschaftlichen Veränderungen (z.B. Digitalisierung, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Flucht und Migration) muss sich der Mensch häufig neuen Situationen anpassen. Die Vereinbarkeit von verschiedenen Lebensbereichen (Schule, Familie und Freizeit) ist auch aufgrund des breiten Freizeitangebots bereits für die Schülerinnen und Schüler ein wichtiges Thema.

(Lehrplan 21, NMG)

Für Kinder und Jugendliche ist die Familie in der Regel die zentrale Bezugsgruppe sowie Ort der Sicherheit und Zugehörigkeit. Da sie in unterschiedlichen Familienformen aufwachsen, bietet es sich an, verschiedene Lebensformen im Unterricht zu thematisieren und die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, eigene Zukunfts- und Lebensperspektiven zu entwickeln. Anknüpfungspunkte zur Thematik finden sich im Fachbereich NMG, insbesondere im Bereich ERG.
Auch die Auseinandersetzung mit der sexuellen Orientierung ist bei Jugendlichen ein wichtiges Thema. Die Lehrpersonen anerkennen die verschiedenen sexuellen Orientierungen als gleichwertig und thematisieren diese im Unterricht.

(Lehrplan 21, NMG; 6.4 Sexualkundlicher Unterricht)

Die Schulen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher sozialer, sprachlicher und kultureller Herkunft und unterstützen dadurch ein friedliches Zusammenleben. Schulen brauchen eine Kultur, in der sich alle Schülerinnen und Schüler angenommen und wertgeschätzt fühlen und damit einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung finden. Dabei sollen auch Formen der Diskriminierung thematisiert werden. Durch Differenzierungs- oder Anpassungsmassnahmen können individuelle Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden.
Der Eintritt in eine neue Klasse ist für die meisten Kinder und Jugendlichen mit Ängsten verbunden. Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler sollten über den Neueintritt informiert und darauf vorbereitet sein, die Schülerin oder den Schüler willkommen zu heissen und sie/ihn beim Einstieg in den Schulalltag zu unterstützen. Bei Elternkontakten können Dolmetschende oder interkulturelle Übersetzende beigezogen werden.

(Lehrplan 21, NMG; 2.2.1 Grundlagen der Zusammenarbeit; Ausgleich von Benachteiligungen; DaZ)

Der Volksschulunterricht ist ein verfassungsmässiges Grundrecht für alle Kinder, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem rechtlichen Status. Der Volksschule kommt ein wichtiger Beitrag bei der Aufnahme und Integration von Kindern von Migrantinnen und Migranten sowie von Asylsuchenden zu. Mit den Unterrichtsangeboten in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterstützt der Kanton Kinder und Jugendliche ohne oder mit noch ungenügenden Kenntnissen der Unterrichtssprache. Die Förderung von Schülerinnen und Schülern, die noch ungenügende Kenntnisse in der Unterrichtssprache ausweisen, ist eine permanente Aufgabe des gesamten Kollegiums. Schulleitung und Schulbehörde können dank Information und klarer Organisation von Zuständigkeiten zu guten Startbedingungen für alle Beteiligten beitragen. Lehrteams beraten sich gegenseitig in Fragen der Unterrichtsgestaltung und der Förderung einzelner Kinder. Durch den Besuch von Kursen in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK), die von den jeweiligen Botschaften, Konsulaten oder von privaten Trägerschaften organisiert werden, können mehrsprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler beim Aufbau ihrer bikulturellen Identität und bei der Erweiterung ihrer Kenntnisse in der Herkunftssprache unterstützt werden.

(2. Zusammenarbeit; Einfache sonderpädagogische und unterstützende Massnahmen; DaZ; HSK)

Schülerinnen und Schülern, deren schulische Ausbildung durch Behinderung, ausserordentliche Begabung oder bei der sprachlichen, sozialen oder kulturellen Integration erschwert wird, sollen im Sinne einer integrativen Haltung unterrichtet werden. Das Erreichen der Bildungsziele wird dabei durch besondere schulische Massnahmen unterstützt.
Differenzierung und Methodenvielfalt sind Voraussetzung für den Umgang mit der Heterogenität. Lassen sich die Lernschwierigkeiten dadurch nicht auffangen, ist ein Beizug von Lehrpersonen für einfache sonderpädagogische und unterstützende Massnahmen dienlich. Die einfachen sonderpädagogischen Massnahmen umfassen die drei Hauptbereiche Massnahmen zur besonderen Förderung, Spezialunterricht und besondere Klassen. Der Kanton stellt hierbei beispielsweise Lektionen für Integrative Förderung, Logopädie, Psychomotorik oder Rhythmik zur Verfügung. Die Gemeinden können für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf, die im Regelunterricht zu wenig angemessen gefördert werden können, besondere Klassen führen. Bei den unterstützenden Massnahmen handelt es sich um das Angebot der Begabtenförderung für Schülerinnen und Schüler mit ausserordentlichen Begabungen und das Angebot Deutsch als Zweitsprache für Schülerinnen und Schüler mit unzureichenden Kenntnissen der Unterrichtssprache.

(5. Unterrichtsentwicklung; Einfache sonderpädagogische und unterstützende Massnahmen; DaZ)

Die Gemeinden verfügen über ein Umsetzungskonzept für die einfachen sonderpädagogischen und unterstützenden Massnahmen. Dies kann je nach festgelegtem Modell vollständig integrativ oder mit der Führung von besonderen Klassen erfolgen. Das Konzept definiert insbesondere, wie die einfachen sonderpädagogischen und unterstützenden Massnahmen organisiert sind (eigenständig oder in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden) und wie die zugewiesenen Lektionen eingesetzt werden.

(Einfache sonderpädagogische und unterstützende Massnahmen)

Die Umsetzung des Massnahmenkonzepts liegt in der Verantwortung der Schulleitung. Sie entscheidet bei Anträgen über eine Zuweisung von Schülerinnen und Schülern zu den einfachen sonderpädagogischen und unterstützenden Massnahmen, wobei gewisse Anträge eine vorgängige Abklärung durch eine Fachstelle erfordern. Die zuständigen Lehrpersonen klären die Zusammenarbeitsformen und die Förderplanung. Sie beziehen die Eltern in den Prozess ein. Eine Erfolg versprechende Förderung von Schülerinnen und Schülern mittels einfachen sonderpädagogischen und unterstützenden Massnahmen wird umgesetzt, wenn der Regelunterricht und die Massnahmen aufeinander abgestimmt sind, Synergien sinnvoll genutzt werden und die Zusammenarbeit wenn möglich in interdisziplinärer Form erfolgt. Die Zusammenarbeit der Schule mit den Eltern, deren Kinder besonderer Förderung bedürfen, erfordert spezielle Sorgfalt. Schritte zur Förderung des Kindes sind gemeinsam festzulegen und regelmässig auf ihre Zielsetzung hin zu überprüfen.
Das Amt für Kindergarten, Volksschule und Beratung der Bildungs- und Kulturdirektion (AKVB) bietet mit der Erziehungsberatung, der Schulaufsicht, dem Fachbereich einfache sonderpädagogische und unterstützende Massnahmen und dem Institut für Heilpädagogik der Pädagogischen Hochschule Bern, den Schulen und Gemeinden Information sowie Beratung an. Weitere Unterstützung leisten beispielsweise der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst oder die kommunalen Gesundheitsdienste.

(2. Zusammenarbeit; Fachstellen)

Besucht eine Schülerin oder ein Schüler das besondere Volksschulangebot integrativ in einer Schule mit Regelklassen, haben die Schulen zur Unterstützung der Klasse die Möglichkeit, abteilungsweisen Unterricht oder Teamteaching zu beantragen.

(Einfache sonderpädagogische und unterstützende Massnahmen)

Für Schülerinnen und Schüler, die die Lernziele trotz innerer Differenzierung in erheblichem Masse nicht erreichen, sollen diese im Einverständnis mit den Eltern in einzelnen Fachbereichen ab dem 3. Schuljahr individuell angepasst werden können. Betreffend individuelle Lernziele muss die Beurteilung durch einen Zusatzbericht ergänzt werden. Für eine periodische Überprüfung der Massnahme ist die Schulleitung zuständig. Lernzielanpassungen sind auch für Schülerinnen und Schüler möglich, die dauernd erheblich mehr leisten, als die Lernziele verlangen.

Massnahmen zum Ausgleich von Benachteiligung (Nachteilsausgleich) kann die Schulleitung mit den Eltern vereinbaren, wenn wichtige Gründe vorliegen und die Benachteiligung durch innere Differenzierung nicht ausgeglichen werden kann. Gründe sind z.B. Körper- oder Sinnesbehinderungen, Autismus-Spektrum-Störungen, Legasthenie oder Dyskalkulie. Die Schulleitung zieht für die Abklärungen und Gutachten Fachstellen bei (z.B. Erziehungsberatung, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderspital). Grundsätzlich sind die kognitiven Voraussetzungen zum Erreichen der Lernziele bei diesen Schülerinnen und Schülern vorhanden. Falls sie trotz Ausgleichsmassnahmen die Lernziele in einzelnen Fachbereichen nicht erreichen, kann zusätzlich eine Lernzielanpassung erfolgen.

(Fachstellen; Ausgleich von Benachteiligungen)